Neue Produktionshalle in Bielefeld

Neue Produktionshalle in Bielefeld
kombiniert Grün mit Solar

Solargründächer vereinen technische, ökologische und ökonomische Vorteile in einem System. Aus der Perspektive des Garten- und Landschaftsbaus – Experte in der Herstellung solcher Gründächer – sind vor allem zwei Funktionen: der Regenwasserrückhalt und die Förderung der Biodiversität. Ein aktuelles Projekt aus Bielefeld zeigt das eindrucksvoll. Rund um die MöllerWerke, einen international tätigen Zulieferer und Entwicklungspartner der Maschinenbau- und Fahrzeugindustrie, entsteht im Stadtteil Brackwede derzeit ein modernes Industrie- und Gewerbegebiet: Im vergangenen Jahr hat die Entwicklungsgesellschaft Moeller Real Estate dort eine neue Produktionshalle errichten lassen, die mit einem Solargründach ausgestattet wurde. Realisiert hat das Projekt Benning Dachbegrünung aus Havixbeck – eine Tochter von Benning Landschaftsbau – Straßenbau aus Münster.

Das Unternehmen ist auf Dachbegrünungen spezialisiert und bundesweit gefragt. Pro Jahr begrünt Benning in Deutschland mehr als 160.000 Quadratmeter Dachfläche. Das Gründach in Bielefeld hat eine Fläche von rund 4.500 Quadratmetern und trägt 1.096 Photovoltaik-Module mit einer Leistung von 477 Kilowattpeak (kWp). Die Module wurden in Ost-West-Ausrichtung mit einer Neigung von 15 Grad montiert, um eine gleichmäßige Tagesertragskurve zu erzielen. Die Bauzeit betrug drei Monate. Welche Herausforderungen es bei dem Projekt gab und welche Vorteile die Dachbegrünung gerade auch in Kombination mit Solaranlagen bringt, erläutert Geschäftsführer Michael Podgorny im Gespräch.

Seit Jahren sind Gründächer ein fester Bestandteil nachhaltiger Stadtgestaltung. Durch die Verbindung mit Solartechnik können sie noch mehr leisten – welche Vorteile stehen für Sie aktuell im Vordergrund?

Dachbegrünungen bieten gleich mehrere Vorteile: Sie halten Regenwasser zurück, fördern die Biodiversität, verbessern die Luftqualität und wirken positiv auf das Mikroklima. Photovoltaikanlagen sind ein zentraler Baustein der Energiewende. Viele Kommunen schreiben bei industriellen, gewerblichen oder öffentlichen Neubauten mittlerweile entweder die Installation einer PV-Anlage oder eine Dachbegrünung vor. Viele Unternehmen entscheiden sich dann für das Solardach. Doch die Kombination mit der Begrünung kann die Effizienz der Photovoltaikanlage steigern.

Im Projekt in Bielefeld spielte die Reduktion des Abflussbeiwerts eine besondere Rolle. Was sagt dieser Wert aus und warum ist er so wichtig?

Der Abflussbeiwert beschreibt, welcher prozentuale Anteil des Niederschlags in die Kanalisation gelangt – also das Verhältnis zwischen abflusswirksamem und gesamtem Niederschlag. Bei unbegrünten Flachdächern liegt der Wert bei 0,9, weil das gesamte Regenwasser ungebremst abfließt. Viele Kommunen, insbesondere in Ballungsräumen, verlangen inzwischen eine deutliche Absenkung. Hintergrund ist, dass die Kanalnetze nicht ausreichend dimensioniert bzw. veraltet sind. Bei Starkregen oder langanhaltenden Niederschlägen geraten sie schnell an ihre Kapazitätsgrenzen. Jede Maßnahme, die Regenwasser zurückhält oder verzögert abgibt, entlastet die Infrastruktur erheblich.

Wie haben Sie diesen Abfluss im Bielefelder Projekt technisch reduziert?

Wir haben ein speziell für Solargründächer entwickeltes System eingesetzt, das einen besonders niedrigen Spitzenabflussbeiwert erreicht. Kernstück ist ein Drainageelement mit integrierter Retentionsfunktion. Die Funktionsweise dieser Mäanderplatten orientiert sich an der Natur, den mäandernden Flussläufen, und wird so gezielt gebremst.

Viele PV-Anlagen auf Flachdächern kämpfen mit vegetationsfreien Zonen unter den Modulen. Wie wird dieses Problem hier gelöst?

Bei herkömmlichen Systemen fließt das Wasser oft punktuell ab – die Vegetation wächst dann vor allem an den Tropfkanten der Module, während andere Bereiche austrocknen. Durch die gleichmäßige Wasserverteilung des von uns verbauten Systems wird die gesamte Fläche, einschließlich der Bereiche unter den Modulen, zuverlässig versorgt. So kann die Bepflanzung gleichmäßig gedeihen, ohne dass die Module durch Aufwuchs verschattet werden.

Wie ist die Begrünung selbst aufgebaut?

Es handelt sich um eine extensive Dachbegrünung mit verschiedenen Sedumarten, die pflegeleicht, trockenheitsresistent und robust sind. Die Modulaufständerung wurde so angeordnet, dass zwischen den Reihen Pflegegänge freibleiben – das erleichtert die Unterhaltung erheblich.

Wie hoch ist der Pflegeaufwand?

Für ein extensives Gründach sind zwei Pflegegänge pro Jahr ausreichend: Im Frühjahr zur Startdüngung, um das Wachstum zu aktivieren, und im Spätsommer zur Entfernung von Laub und ungewünschtem Aufwuchs. Die zwischen den PV-Reihen eingeplanten Wege ermöglichen eine schnelle und sichere Durchführung dieser Arbeiten. Aufgrund möglicher Verschattungen kann auch ein dritter Pflegegang notwendig werden – das entscheidet sich an der konkreten Situation vor Ort.

Ein sensibler Punkt ist die Abdichtung. Wie wurde hier gearbeitet, um langfristige Dichtigkeit zu gewährleisten?

Wir haben in Bielefeld im Auftrag der HDG Dachtechnik aus Bad Salzuflen gearbeitet. Wir schätzen es sehr, wenn Abdichtung und Begrünung in einer Hand liegen, weil die Schnittstelle zwischen den Gewerken besonders sensibel ist. Die Dichtigkeit des Daches hat oberste Priorität – Mängel sind bei einem begrünten Dach deutlich schwieriger zu lokalisieren und zu beheben. Unser System ist auflastgehalten, das heißt: Die PV-Anlage wird allein durch das Gründach und die Substratschicht fixiert, ganz ohne Dachdurchdringung. Das vermeidet potenzielle Schwachstellen und erhöht die Lebensdauer der Abdichtung.

Wie groß ist das Ausbaupotenzial in Deutschland?

Viele Bestandsgebäude sind für eine Begrünung leider nicht ausgelegt. Grund dafür ist die mangelnde Tragfähigkeit der Dächer. Eine extensive Begrünung bringt in trockenem Zustand etwa 80 bis 90 Kilogramm Last pro Quadratmeter auf das Dach, bei Wassersättigung bis zu 135 Kilogramm pro Quadratmeter. Allein 2023 sind in Deutschland aber auch rund 60 Millionen Quadratmeter Flachdachflächen neu gebaut worden – die man direkt für Gründächer auslegen könnte. Laut Bundesverband GebäudeGrün e. V. (BuGG) wurden davon jedoch nur 10,1 Millionen Quadratmeter begrünt. Über 50 Millionen Quadratmeter – also mehr als 83 Prozent – blieben ungenutzt ... Das Potenzial ist also sehr groß!